Fulda/Volkersberg (bpf). Syrien, Afghanistan, Libanon, Iran, Irak, Venezuela, Eritrea, Somalia – das sind die Heimatländer der 17 Schüler und zwei Schülerinnen aus der Intensivklasse der Konrad-Adenauer-Schule (KAS) in Petersberg. Trotz ihres unterschiedlichen Alters und ihrer Herkunft vereint sie etwas: sie sind im vergangenen Jahr nach Deutschland geflohen, ein Großteil von ihnen ohne ihre Eltern. Gerührt von diesem Schicksal entstand in mehreren Gesprächen zwischen der Schulleitung der Konrad-Adenauer-Schule, der engagierten Klassenlehrerin der Intensivklasse Eva Dauer, und den Referenten der Schülerseelsorge Sebastian Pilz und Sabrina Niehenke die Idee zu Tagen religiöser Orientierung mit dieser besonderen Klasse. Ziel sollte es sein, den Schülerinnen und Schülern nach der Flucht aus der Heimat, in der teilweise Krieg und Terror den Alltag bestimmten, ein Angebot zur Stärkung der eigenen Persönlichkeit und zum Kennenlernen des Christentums zu machen. Die Finanzierung dieses Projektes übernahm das Bistum Fulda aus dem „Sonderfonds Flüchtlinge“.
19 Schüler nahmen zusammen mit Eva Dauer, Fatima Hasicic und Florian Sänger von der KAS die Einladung der Schülerseelsorge zu diesen besonderen „Tagen religiöser Orientierung“ an und reisten in der vergangenen Woche auf den Volkersberg nahe Bad Brückenau. Mit der Unterbringung im qualitativ hochwertigen Lernwerk der Bildungsstätte setzten Haus und Bistum ein zusätzliches Zeichen der Wertschätzung. Nach einen spielerischen Kennenlernen tauschten sich die Jugendlichen in kreativer Form über verschiedene positive Aspekte ihrer Persönlichkeit aus. Bei den älteren Schülern wurde dieser Aspekt durch ein Nachdenken über gute Eigenschaften und eine Selbsteinschätzung mit Blick auf die zukünftige Berufswahl vertieft.
Die jüngeren Schüler begaben sich auf eine Schatzsuche. Im Anschluss dachten sie gemeinsam mit Bernadette Wahl von der Schülerseelsorge darüber nach, weshalb jeder von ihnen ein Schatz und machten sich gegenseitig Komplimente. „Diese Schatzsuche war super, weil wir da viel herumlaufen und suchen mussten“, sagt Ayoub am Ende der Tage. Auch Ahmed aus Somalia war begeistert und trug den kleinen Spiegel mit der Aufschrift „Du bist ein Schatz“ alle Tage am Volkersberg in seiner Hosentasche.
Ein weiteres Element zur Stärkung der eigenen Persönlichkeit war der Besuch im Hochseilgarten des Hauses Volkersberg. Unter der Anleitung der Trainer lernten die Schüler ihre Ängste zu überwinden. Neben Selbstvertrauen waren aber auch Teamwork und Verantwortung füreinander gefragt, weil sie die Teilnehmer gegenseitig sichern mussten. Zudem fassten einige neu Mut und Vertrauen und versuchten einige Kletterübungen auch ein zweites Mal. Highlight war für viele die große Schaukel. „Mein Herz hat ganz laut geschlagen. Ich war so aufgeregt, aber sehr glücklich“, sagt Abdullah in der Schlussauswertung. Auch Ali schrie am Seil hängend zur Freude aller über den gesamten Hochseilgarten.
„Ich habe viel Neues über das Christentum gelernt“, fasst Arash seine Eindrücke zusammen. Zur Veranschaulichung wanderte die Gruppe von Volkers nach Bad Brückenau und besuchte dort die katholische Kirche St. Bartholomäus. Mit einer Kirchenrallye sollten die Teilnehmer wichtige Gegenstände und Orte in der Kirche in einen Grundriss einzeichnen. In der anschließenden kleinen Kirchenführung, die Sabrina Niehenke und Sebastian Pilz mit Hilfe von Fotos von Gottesdiensten gestalteten, erfuhren die Jugendlichen Grundlagen aus dem christlichen Glaubensleben. Zugleich lernten die Referentin und der Referent Inhalte aus dem Islam kennen, die ihnen die Jugendlichen erzählten. Dieser interreligiöse Dialog wurde am Abend in einer Gesprächsrunde mit Diözesanjugendpfarrer Thomas Renze aufgegriffen. In einer sprachlich sehr herausfordernden Runde für beide Seiten stellten die Jugendlichen Frage, wie z.B. „Warum machen Christen eigentlich so viele Kerzen an?“ oder „Warum singen sie so viel?“ Darüber hinaus standen Fragen des Miteinanders der verschiedenen Religionen, des Fastens und der Person Jesu als Sohn Gottes im Mittelpunkt des Gesprächs. Yonas ist dankbar: „Es war gut, dass Thomas da war“, sagt er. Auch Rahmat hätte noch weitere Fragen an den Jugendpfarrer stellen können. Zum gemeinsamen Gebet wurde beispielsweise vor jeder Mahlzeit eine Stille gehalten, damit jeder in seiner Religion beten konnte. Ebenso gab es ein kleines Abendgebet in verschiedenen persönlichen Anliegen, aber auch für den Frieden in Syrien und anderen Krisengebieten.
Die Veranstaltung bezeichnet Sebastian Pilz, Sachgebietsleiter der Schülerseelsorge, als Erfolg: „Es war eine beeindruckende Erfahrung, diese Menschen mit ihren großartigen Persönlichkeiten kennen zu lernen. Besonders der interreligiöse Austausch fand in einer guten Atmosphäre statt, die von gegenseitigem Interesse und Wertschätzung geprägt war. Ich hoffe, wir konnten mit diesen Tagen den Jugendlichen zeigen, dass sie wertvoll sind. Ich bin sehr dankbar für die Begegnungen und diese Tage, die für uns eine Herausforderung waren.“ Besonders die verschiedenen Muttersprachen und die je unterschiedlich mögliche Verständigung auf Deutsch oder Englisch forderten Lehrern und Referenten alles ab. Kollegin Sabrina Niehenke ergänzt: „Es ist bewegend wie nah einem durch diesen Kurs das Thema Flucht kommt. Ich wünsche diesen Jugendlichen, dass sie einen Ort zum Wohlfühlen finden und mutig in die Zukunft gehen können.“
Sebastian Pilz – Sachgebietsleiter der Schülerseelsorge